Der Ort Neuzelle

Neuzelle, ein in lieblicher Landschaft eingebetteter Ort, der bestimmt nicht zufällig 1268 durch den Markgrafen Heinrich den Erlauchten ausgesucht wurde, hier das Zisterzienserkloster aufzubauen und es seiner verstorbenen Frau Agnes zu stiften.

Ora et laboras, bete und arbeite, war der Leitspruch der Zisterziensermönche, welcher vom ersten Tage an in die Tat umgesetzt wurde. Sie schufen ein Beispiel, das weit über die Grenzen Brandenburgs hinaus bekannt wurde. Aber nicht nur Kirchenbau und Seelsorge waren ihre Aufgaben, sie schufen Gärten und Weinberge, sie bauten den Oderdamm von Fürstenberg bis Ratzdorf und legten Sümpfe trocken. Der von den Mönchen angelegte Klosterteich und der Rundgang mit den herrlichen Kastanien und Linden lässt Neuzelle fast als echten Kurort erscheinen.

Die Geschichte ist natürlich nicht an Neuzelle vorbeigegangen. So wurde das Kloster 1429 durch die Hussiten verwüstet und die Mönche verstümmelt. Wie durch ein Wunder blieb die damals gotische Hallenkirche erhalten. Der 30ihrige Krieg und Brände zerstörten immer wieder das Kloster, doch der Wille und Glaube und die Kraft der Äbte und Mönche waren stärker. So schufen sie eine einmalige Stätte der Kultur und der Christenheit, die im 18. Jahrhundert durch die Barokkesierung der Kirche ihre Krönung fand. Trotzdem wurde das Kloster gegenüber allen Abmachungen 1817 durch die preußische Regierung aufgelöst. Seitdem ist die Klosteranlage als Bildungseinrichtung genutzt worden, obwohl die Ziele sehr verschieden waren. In den 20er Jahren war sie Lehrerseminar und Aufbauschule, in der Zeit von 1933 bis 1945 Nationalpolitische Erziehungsanstalt.

Wie durch ein zweites Wunder überstanden in Neuzelle beide Kirchen und das Kloster den II. Weltkrieg, obwohl 2 km entfernt die Oderfront lag, wo sich deutsche und russische Soldaten im Frühjahr 1945 heftige Kämpfe lieferten, Der 75 m hohe Glockenturm lag genau in der Schusslinie der russischen Truppen und diente als Beobachtungsturm der Wehrmacht. In den letzten Tagen des Krieges wurde die Kirche sogar noch vermint und sollte gesprengt werden. Unmittelbar nach Ende des II. Weltkrieges wurde im Kloster das sowjetische Marinelazarett eingerichtet. Später bekamen Hunderte von Kindergärtnerinnen aus allen Teilen des Landes in Neuzelle ihre Ausbildung. Jahrzehntelang beherbergten die Klostermauern ein Lehrerbildungsinstitut. Parallel dazu haben in Neuzelle bis 1997 katholische Priester studiert. Ehemalige Studenten finden gern den Weg hierher zurück, um zu schauen, was sich alles verändert hat.

Inzwischen hat Neuzelle 2055 Einwohner, von denen etwa 600 katholisch und 540 evangelisch sind. Neuzelle ist wieder ein Kulturzentrum geworden. Seit 1996 gibt es die »Stiftung Stift Neuzelle«, Sie hat die Aufgabe, die ehemalige Klosteranlage wieder herzustellen und Wissenschaft, Bildung und Kultur zu fördern. Die ersten Erfolge sind bereits zu verzeichnen. Wer hätte einmal zu träumen gewagt, Klosterkonzerte mit dem Poznaner Knabenchor, Bachkonzerte oder Kammersolisten der Deutschen Oper Berlin hier in Neuzelle erleben zu dürfen. Open-Air-Konzerte und Ausstellungen vielfältiger Art ergänzen das Programm. Für die Natur- und Kulturfreunde wird die größte barocke Gartenanlage Brandenburgs mit der Orangerie in alter Schönheit wieder entstehen. In den alten Klosteranlagen befindet sich jetzt das deutsch-polnische Gymnasium mit 530 deutschen und 60 polnischen Schülern. Besuchen Sie unseren Ort, so werden Sie am Eingang mit einem Begrüßungsschild empfangen.

Die Klosterkirche St. Marien mit dem hohen Glockenturm ist von allen Richtungen zu sehen und führt Sie praktisch bis zum Klosterteich und Brauhausplatz. Gehen Sie durch das ehrwürdige Klosterportal, das von 2 Platanen beschattet wird, bleiben Sie unbedingt stehen und schauen Sie zur Klosterkirche hinauf. Danach betreten Sie das Innere der Kirche. Nehmen Sie Platz im Kirchengestühl, auch wenn es unbequem ist, denn es sind ja Gebetsbänke. Lassen Sie die Hektik der Zeit hinter sich und genießen Sie die besondere
Atmosphäre. Sie werden so beeindruckt sein, dass Sie gar nicht wissen, was Sie zuerst betrachten sollen: die mit Stuckmarmor gestalteten Altäre, die Seiten- und Deckengemälde,
die Innenräume der Josephskapelle oder die Sakristei im gotischen Stil, die Kanzel oder den Taufaltar. Zu empfehlen ist die Teilnahme an einer Kirchenführung, denn Sie erhalten hier viele interessante Informationen. Diese Kirche ist kein Museum, sondern Pfarrkirche einer lebendigen Gemeinde. Nach der Besichtigung der katholischen Kirche sollten Sie die Möglichkeit nutzen, sich den gotischen Kreuzgang anzuschauen. Wenn Sie etwas mehr über Neuzelle wissen möchten, dann suchen Sie doch die Touristeninformation direkt
oder die kleine Buchhandlung Kanig „Unterm Tor“ auf. Es lohnt sich bestimmt!

Neuzelle besitzt auch ein zweites Kleinod, die heutige evangelische Pfarrkirche zum Heiligen Kreuz. Vom Stiftsplatz 100 m entfernt erscheint sie ebenfalls in barocker Pracht. Die fahrbare Kanzel ist einmalig.

Am Klosterteich gelegen, in unmittelbarer Nähe zum ehemaligen Zisterzienserkloster, braut die Klosterbrauerei von Neuzelle nachweislich seit 1589 Bier. Das handwerkliche Brauen gehört auch heute noch in den Produktionsprozess der Neuzeller Bierspezialitäten. Besonders ist auf die Schrotmühle von 1923, das gesamte manuelle Brauverfahren und die offene Gärung hinzuweisen. Dies alles lässt das über die Grenzen Brandenburgs hinaus bekannte wohlschmeckende Schwarzbierprodukt »Schwarzer Abt« entstehen, das auch heute noch
nach einem alten wohlbehüteten Rezept gebraut wird. Als besondere Spezialität erfreut sich das »Original Badebier Neuzeller Kloster-Bräus, sowohl als Trink- wie auch als Badebier wachsender Beliebtheit. In Neuzelle selbst besteht die Möglichkeit des Bierbadens oder man erhält durch den Paketversand der Klosterbrauerei Neuzelle GmbH auch alle Bierspezialitäten direkt nach Hause. Nutzen Sie die Gelegenheit, sich durch das denkmalgeschützte Gebäude der historischen Brauerei führen zu lassen. Anschließend können Sie in gemütlicher Runde bei einer Verkostung einige Bierspezialitäten probieren. Selbstverständlich gehört dazu das schmackhafte Treberbrot mit zünftigem Schmalzaufstrich. Eine besondere Überraschung bietet Ihnen das interessante Angebot des Klosterladens, wo Sie bestimmt ein Souvenir finden werden. Das nach einem Mönch benannte Bibulibusfest am Himmelfahrtstag ist ein wahres Volksfest.

Zum Besuch Neuzelles gehört auch ein Spaziergang um den Klosterteich mit seiner Insel. Von Privatpersonen gespendete und vom Heimatkreis aufgestellte Bänke laden zum Verweilen ein. Dieser Rundgang von etwa 15 Minuten hat zu jeder Jahreszeit seine Reize. Enten, auch Schwäne, Frösche und Karpfen tummeln sich im Wasser. Blutweiderich und Sumpfschwertlilien blühen am Ufer. Gelbe Teichrosen bedecken die Oberfläche. Die alljährliche Fronleichnamsprozession findet um den Teich ihren Höhepunkt.

Wenn Sie Glück haben, sehen Sie den scheuen Graureiher bewegungslos wie ein Denkmal auf einem Ast stehen, oder der Eisvogel schwirrt über den Teich. Den schönsten Blick auf die Klosterkirche haben Sie auf der Westseite des Rundweges vom Wehr bis zur Insel. Auch bei Dunkelheit spiegelt sich im Lichte der Laternen die Klosterkirche im Wasser. Im Winter bei klirrendem Frost wird er zum Erlebnis für die Schlittschuhläufer. Wenn Sie in unserem Ort gemütlich unmittelbar am Klosterteich speisen wollen, stehen Ihnen die „Klosterklause“ mit der Veranda und das „Prinz-Albrecht Hotel“ mit der Terrasse zur Verfügung. Von beiden Gaststätten haben Sie den Blick auf den schönen Klosterteich. Nur etwa 5 Minuten entfernt werden Sie im „Cafe Wauer“ in der Kirchstraße, beim „Zum Zickenzeller“ oder im „Schützenhaus“ in der Bahnhofstraße verwöhnt.

Neuzelle verfügt auch über eine neuerbaute Sporthalle und ein Freibad mit traditionell gutem Ruf. Beide Anlagen liegen ideal, denn neben dem Freibad befindet sich das Landschafts-
und schutzgebiet, der Neuzeller Fasanenwald, ein Schmuckstück schon zu Klosters Zeiten, wo Sie nach Herzenslust durch einen schönen Mischwald wandern können. Nach etwa einer
im Stunde Wanderung über kleine Hügel erreichen Sie den Sonnenberg und erleben eine herrliche Aussicht über die weite Oderaue von Wellmitz bis Fürstenberg, Im Frühjahr begrüßen Sie hier blühende Anemonen, Himmelschlüssel und Veilchen. Ist Ihnen dieser Weg zu anstrengend, dann begeben Sie sich zum Barockpark, unmittelbar hinter der Klosterkirche, und erfreuen sich an der Spiegelung der evangelischen Kreuzkirche im Wasser des Teiches.

Den schönsten Blick über den gesamten Klosterkomplex und Ort haben Sie von einem Aussichtsplateau, dem „Kulisch Berg“. Der Panoramablick entschädigt für den 10 Minuten
langen Höhenweg, also Fotoapparat nicht vergessen. Mit viel Mühe und Liebe haben hier die Naturfreunde des BUND mit Unterstützung der ABM-Kräfte einen Rastplatz geschaffen, wo Wanderer Ruhe und Erholung finden. „Kulisch Berg“ erreichen Sie über die Waldstraße oder die Bergstraße. Letztere beginnt gegenüber der Gaststätte „Zickenkeller“ in der Bahnhofstraße. Sie können auch den Weg über den Priorsberg nehmen, der gegenüber dem Amtsgebäude, vor dem Klosterteich, liegt.

Neuzelle umfasst mehr als nur den Ort selbst. Erst wenn Sie in alle vier Himmelsrichtungen wanderm, wird hnen die ganze Schönheit dieses Ortes und Landstriches zu allen Jahreszeiten bewusst

Wandern Sie etwa 2 km nach Osten in Richtung Oder, haben Sie eine Wiesenlandschaft mit kilometerlangem Weitblick vor sich. Knorrige Kopfweiden winken Sie heran. Wenn Sie vom Damm aus auf die Oder schauern, liegt vor Ihnen – einmalig in Deutschland – eine wild und urwüchsig anmutende Uferzone.

Wandern Sie in südlicher Richtung der Dorche nach, so erleben Sie ein ruhiges, liebliches Tal, in dem Sie kaum einem Menschen begegnen. Es beginnt mit dem Ortsteil Kummro und entzückt im Frühling durch die Baumblüte, später durch blühende Orchideenwiesen, Seen und märchenhafte Wälder.

Fahren Sie westwärts etwa 15 km weiter, dann sind Sie im schönsten Bachtal Brandenburgs, im malerischen Schlaubetal. Hier finden Sie alles, was Sie sich als Naturfreund
wünschen. Wälder, Wiesen, Täler und Höhen, Seen, Teiche, Moore und Heide. Durch den 1995 geschaffenen „Naturpark Schlaubetal/Gubener Heide“ wird gewährleistet, dass diese einmalige Schönheit des Landes Brandenburg mit ihrem Reichtum an Planzen und Tieren erhalten bleibt.

Auch in nördliche Richtung lohnt es sich, abseits der Waldstraße durch Kiefern- und Eichenwälder ein paar Kilometer zu laufen. Besuchen Sie doch mal den kleinen verträumten Ort Lawitz mit dem Storchennest und der alten Schmiede, wo Sie (nach Anmeldung) Ihr Pferd beschlagen lassen können.

Quelle: Bildband Neuzelle Schlaubetal und Umgebung